Sexualität begleitet uns ein Leben lang. Sie ist individuell und wandelbar. Sie verändert sich mit unseren Erfahrungen, unseren Beziehungen, unserem Körper und unserer inneren Welt. Sexualität ist also nicht statisch. Im Gegenteil: Sie ist ein lebendiger Ausdruck von Nähe, Identität, Körperlichkeit und Verbundenheit.
Jede Lebensphase formt das sexuelle Erleben auf einzigartige Weise. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“ – nur das, was sich stimmig anfühlt. Denn jede neue Lebensphase fordert uns auf, innezuhalten und uns selbst neu zu begegnen.
Neue Lebensphasen entstehen, wenn wir uns verändern:
Wenn Kinder ausziehen, wenn wir Eltern werden, wenn Beziehungen wachsen oder enden, wenn der Körper sich wandelt, wenn der Beruf uns nicht mehr erfüllt oder die Wechseljahre uns ein neues Kapitel schenken. Manchmal fühlt es sich an wie ein Neubeginn und manchmal wie ein Loslassen einer alten Version von uns selbst. Es kann kraftvoll sein, befreiend und aufregend, aber auch herausfordernd, verwirrend oder schmerzhaft.
In sexueller Hinsicht können die Zeiten des Übergangs große Herausforderungen mit sich bringen, durch welche Sexualität, Intimität und Bedürfnis oft völlig neu definiert, gestaltet und verhandelt werden dürfen.
Sexualität nach der Schwangerschaft
Schwangerschaft, Wochenbett und Elternschaft kann für viele Paare eine große Herausforderung sein. In vielen Fällen existiert die Vorstellung, dass nach einer Geburt alles genau so weitergeht wie davor. Doch Schlafmangel, körperliche Veränderungen, neue Rollenverteilungen und emotionale Belastungen können Einfluss auf Lust, Nähe und Intimität haben. Es ist eine Phase, in der Kommunikation, Geduld und gegenseitiges Verständnis entscheidend sind. Unsicherheiten nach Geburtsverletzungen, Ängste vor möglichen Schmerzen und das Gefühl „overtouched“ zu sein aufgrund von intensiven Stillphasen verdienen viel Raum, Zeit und Behutsamkeit. Viele Paare entdecken in dieser Zeit neue Formen der Intimität abseits des klassischen sexuellen Erlebens.
Sexualität nach gynäkologischen Eingriffen
Sexualität nach einem gynäkologischen Eingriff ist kein einfacher Neustart. Ein solcher Eingriff berührt oft weit mehr als den Körper. Er betrifft einen sehr sensiblen Bereich unseres Seins, und viele Frauen erleben danach Veränderungen in ihrem sexuellen Erleben, ihrer Körperwahrnehmung oder ihrem Vertrauen in die eigene Intimität.
Nach Eingriffen wie Gebärmutterentfernung, Endometriose-Operationen, Beckenbodenrekonstruktionen, Konisation, oder anderen Eingriffen können unterschiedliche Erfahrungen auftreten:
Diese Reaktionen sind normal. Die körperlichen Verletzungen brauchen Zeit zum Heilen. Die Seele braucht manchmal genauso viel Zeit.
Schmerzen beim Sex
Viele Frauen haben Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Die Gründe hierfür können vielfältig sein:
Sexualität und Trauma
Trauma trennt uns von unserem Körper. Ob das Trauma durch sexuelle Übergriffe, Grenzverletzung, Gewalt, medizinische Eingriffe, Verlust einer frühen Bindungsperson, schwere Diagnosen oder eine traumatische Geburtserfahrung entstanden ist (Gründe für das Entstehen eines Traumas gibt es viele) .. wir verlieren den Bezug und die Verbindung zur Körperlichkeit und es verändert unser Körperbild. Genauso verändert es die Fähigkeit, mit anderen Menschen in Verbindung zu sein. Es kann eine Gefühllosigkeit / Taubheit oder das Gegenteil, eine nervale Übererregtheit auftreten, die sich auch auf Körperfunktionen von z.B. Blase, Beckenboden, Darm, Kiefer und Zwerchfell auswirken kann. Nach einem Trauma braucht es Zeit, um sich wieder im eigenen Körper zu Hause zu fühlen.
Sexualität darf neu entstehen – anders, leiser, freier.
Sexualität in den Wechseljahren
Die Wechseljahre markieren einen tiefgreifenden Übergang im Leben einer Frau. Hormonelle Veränderungen, körperliche Umstellungen und emotionale Prozesse wirken sich nicht nur auf das Wohlbefinden aus, sondern auch auf die Sexualität. Viele Frauen erleben diese Phase als eine Zeit des Hinterfragens – aber auch der Neuorientierung und Befreiung. Sexualität in den Wechseljahren muss nicht weniger werden, aber oft wird sie anders. Viele Frauen entdecken neue Formen von Intimität, die nicht nur auf körperliche Erregung ausgerichtet sind, sondern stärker von emotionaler Verbindung, Selbstfürsorge und Achtsamkeit geprägt werden.
Körperliche und seelische Veränderungen, die die Intimität beeinflussen:
Die Wechseljahre sind nicht das Ende von Lust und Intimität, sondern eine Einladung, Sexualität neu zu definieren: selbstbestimmt, achtsam, liebevoll und im Einklang mit dem eigenen Körper.
Sexualität und Trauer
Wenn wir einen Menschen, eine Beziehung, ein ungeborenes Kind oder eine bestimmte Lebensvorstellung verlieren, berührt dieser Schmerz nicht nur unseren Geist. Er berührt unseren Körper, unsere Sehnsucht, unsere Fähigkeit zur Nähe. Trauer ist nicht nur ein emotionaler Prozess, sondern zeigt sich auch körperlich. Sexualität und Trauer schließen sich nicht aus, auch wenn sie scheinbar im Widerspruch zueinander stehen. Viele Betroffene bewegen sich wischen zwei Polen aus Nähe und Rückzug, oft verwirrt, verunsichert oder voller Scham.